Erinnerungen an Tschernobyl: Strahlenunfall verstehen

(Bild: IndustryandTravel)

Strahlenunfälle wie in Tschernobyl, Fukushima oder Harrisburg bleiben im kollektiven Gedächtnis – doch sie können auch außerhalb von Kernkraftwerken auftreten. Für Rettungskräfte ist das Wissen um Risiken und Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Strahlenexposition entscheidend.

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Ein Strahlenunfall bezeichnet eine plötzliche, unbeabsichtigte Exposition mit ionisierender Strahlung. Diese kann durch äußere Bestrahlung oder durch Anhaften beziehungsweise Aufnahme radioaktiver Partikel entstehen. Während bei externer Bestrahlung die Strahleneinwirkung endet, sobald die Quelle entfernt ist, besteht bei Kontamination oder Inkorporation weiterhin Gefahr – auch für die Helfenden.

Arten und Wirkung ionisierender Strahlung

Ionisierende Strahlung kann Atome verändern und Gewebe schädigen. Sie stammt aus natürlichen Quellen wie Radon, aber auch aus technischen Anwendungen in Medizin und Industrie. Die wichtigsten Strahlenarten sind:

  • Alphastrahlung: geringe Reichweite, hohe Gewebeschädigung bei Aufnahme in den Körper.
  • Betastrahlung: dringt wenige Millimeter ein, Abschirmung durch Aluminium möglich.
  • Gammastrahlung: energiereich, durchdringt Materie tief, Abschirmung durch Blei oder Beton nötig.
  • Neutronenstrahlung: tritt hauptsächlich im Kernenergiebereich auf.
  • Röntgenstrahlung: technisch erzeugte elektromagnetische Strahlung.

Die biologische Wirkung hängt von Dosis, Strahlenart und betroffenem Gewebe ab. Hohe Dosen können Gewebe zerstören oder langfristig Krebserkrankungen auslösen. Typisch sind Phasen der Strahlenkrankheit: Prodromalphase (Übelkeit, Erbrechen), Latenz, manifeste Erkrankung und Erholung.

Externe Bestrahlung: Ganz- und Teilkörperexposition

Bei einer Ganzkörperbestrahlung können bereits geringe Dosen über 1 Gy Symptome auslösen. Übelkeit und Erbrechen innerhalb der ersten Stunden sind Leitsymptome. Ab 3 Gy treten Hautrötungen und Schleimhautentzündungen auf. Die Behandlung erfolgt symptomatisch, mit Fokus auf lebensrettende Maßnahmen. Dosen über 12 Gy sind in der Regel tödlich. Für Rettungskräfte besteht bei rein externer Bestrahlung keine Strahlengefahr.

Eine Teilkörperbestrahlung verursacht lokale Strahlenverbrennungen. Diese betreffen Haut und tieferliegendes Gewebe, verlaufen schmerzhaft, sind jedoch selten lebensbedrohlich. Die Therapie entspricht der Behandlung thermischer Verbrennungen.

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Kontamination und Inkorporation

Unter Kontamination versteht man die radioaktive „Verschmutzung“ der Körperoberfläche. Gelangen Stoffe in den Körper, spricht man von Inkorporation. Entscheidend ist, die Kontamination rasch zu beseitigen, um ein Eindringen radioaktiver Stoffe zu verhindern. Kleidung sollte entfernt, Haut und Schleimhäute mit Wasser oder Kochsalzlösung gereinigt werden. Vorrangig zu behandeln sind Kontaminationen an Nase und Mund.

Inkorporierte Radionuklide können sich in sogenannten Zielorganen (z. B. Jod in der Schilddrüse, Radium im Knochen) anreichern. Eine spätere Entfernung ist kaum möglich. Daher muss schnell gehandelt werden, etwa durch die Jodprophylaxe bei radioaktivem Jod: Die Gabe von stabilem Jod blockiert die Aufnahme des radioaktiven Isotops in die Schilddrüse.

Fazit für den Rettungsdienst

Strahlenunfälle sind selten, doch sie verlangen klares Handeln. Bei externen Bestrahlungen steht die Basisversorgung im Vordergrund. Kontaminationen müssen umgehend entfernt, Inkorporationen verhindert werden. Für Rettungskräfte gilt: Eigenschutz hat oberste Priorität. Das Wissen um Strahlenarten, Symptome und Sofortmaßnahmen kann im Ernstfall Leben retten – auch das der Einsatzkräfte selbst.


Der Beitrag beruht auf Ausführungen von Dr. Ingo Blank (Jg. 1963), Chirurg und Notarzt/LNA, Dozent und EH-Ausbilder, Fachjournalist, diverse
Buchveröffentlichungen.

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