DSG fordert bessere prähospitale Schlaganfallversorgung

(Bild: Nehris/Shutterstock)Berlin (lse) – Anfang September 2025 fand in Berlin der 1. Deutsche Schlaganfallkongress statt. Unter anderem befassten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der prähospitalen Schlaganfallversorgung. Prof. Helge Topka, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Stroke Unit der Münchner Klinik Bogenhausen, sowie seine Kollegin Dr. Anne-Sophie Biesalski, Fachärztin für Neurologie an den Knappschaft Kliniken Universitätsklinikum Bochum, fassen die Ergebnisse zusammen.

Herr Prof. Topka, Sie sind Vorstandsmitglied der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), die kürzlich den in Fachkreisen viel beachteten 1. Deutschen Schlaganfallkongress veranstaltete. Während des Symposiums wurde unter anderem deutlich, dass die Herausforderungen für eine prähospitale Schlaganfallversorgung immer komplexer werden. Woran liegt das?
Prof. Topka: Noch immer können rund drei Millionen Menschen in Deutschland mit einem Schlaganfall nicht innerhalb der angestrebten 30 Minuten nach Alarmierung des Rettungsdienstes einer geeigneten Versorgungsstufe zugeführt werden. Mit der geplanten Konzentration der Gesundheitsversorgung in zentralen Krankenhäusern werden die Herausforderungen nicht kleiner, sondern eher komplexer.

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Frau Dr. Biesalski, die von Ihrem Kollegen angesprochene Konzentration der Kliniken spiegelt sich auch in einer wachsenden Belastung des Rettungsdienstes wider. Sie sind selbst auch als Notärztin im Einsatz. Bereitet Ihnen dieser Aspekt Sorgen?
Dr. Biesalski: Ja, angesichts einer steigenden Zahl neurologischer Notfälle muss künftig differenzierter entschieden werden, ob ein Notarzt bzw. eine Notärztin vor Ort erforderlich ist. Bei vital stabilen Patientinnen und Patienten, bei denen es vor allem um den schnellen Transport geht, ist das nicht zwingend erforderlich. In Fällen unspezifischer Schlaganfall-Symptome, etwa bei Bewusstseins- oder Sehstörungen, sind Notärztinnen und Notärzte mit ihrer Expertise jedoch unverzichtbar.

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Frau Dr. Biesalski, auch hier wird die Situation also komplexer. Was schlagen Sie vor?
Dr. Biesalski: Mein Kollege, Herr Prof. Topka, und ich fordern, Kliniken und Rettungsdienste stärker zu vernetzen und eine bundesweit standardisierte Aus- und Weiterbildung für den Rettungsdienst zu etablieren. Ferner weisen wir auf das Potenzial unterstützender Strukturen wie von Stroke-Einsatz-Mobilen (STEMO) hin, wie sie in einigen Regionen Deutschlands zur Verfügung stehen, aber auch auf telemedizinische Schlaganfall-Einheiten und nicht zuletzt den neuen Telenotarzt-Systemen. STEMO beispielsweise sind derzeit in Berlin und Mannheim im Einsatz. Diese Spezialfahrzeuge verfügen sowohl über Computertomografen als auch Labordiagnostik und bringen damit die notwendige Infrastruktur direkt zu den Patienten. Das STEMO kann die Zeit bis zur Lysetherapie erheblich verkürzen – und dadurch das Behandlungsergebnis verbessern.Ganz wichtig ist dabei, dass es nicht DIE perfekte Lösung für alle Regionen Deutschlands gibt. In manchen Regionen ist es sinnvoller, den Patienten zunächst in eine lokale Schlaganfalleinheit zu verbringen und dann bei Thrombektomiebedarf in ein Zentrum zu verlegen („Drip and Ship“-Modell). Für andere Regionen ist es hilfreicher, die Patienten direkt in ein Zentrum zu verbringen („Mothership“-Modell).

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Das schwere Einsatzfahrzeug ist aber nur eine und durchaus kontrovers diskutierte Möglichkeit, regionalen Herausforderungen zu begegnen, und nicht überall einsetzbar.
Prof. Topka: Ja, STEMO beispielsweise sind derzeit in Berlin und Mannheim im Einsatz. Diese Spezialfahrzeuge verfügen sowohl über Computertomografen als auch Labordiagnostik und bringen damit die notwendige Infrastruktur direkt zu den Patienten. Das STEMO kann die Zeit bis zur Lysetherapie erheblich verkürzen – und dadurch das Behandlungsergebnis verbessern. Aber nicht in jeder Region Deutschlands ist das Konzept sinnvoll. Ganz pragmatisch gesprochen: In den Alpen brauchen wir eher einen Hubschrauber, in Hamburg hingegen erreicht man in zehn Minuten immer eine Klinik mit Stroke Unit. Die Beispiele zeigen, wie komplex die prähospitale Versorgung ist und wie viele einzelne Bereiche bedacht werden müssen. Wichtig ist es, die regionalen Versorgungsstrukturen zu berücksichtigen.

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Dr. Anne-Sophie Biesalski und Prof. Helge Topka (Bild: DSG)

Fassen wir zusammen: Die stationäre Schlaganfall-Versorgung in Deutschland, unter anderem mit 354 zertifizierten Stroke Units, gilt europaweit als vorbildlich, in der prähospitalen Schlaganfall-Versorgung gibt es Ihren Worten zufolge aber noch großen Handlungsbedarf.
Dr. Biesalski: Genau! Es ist immer noch entscheidend, dass die Patientinnen und Patienten wirklich schnell in einer geeigneten Klinik ankommen.
Prof. Topka: Effiziente Strukturen, klare Entscheidungswege und innovative Konzepte sind entscheidend, um Betroffenen die lebensrettende Therapie schon auf dem Weg zur Klinik zugänglich zu machen.

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Welche Erwartungen haben Sie in dieser Hinsicht an die derzeit noch ausgesetzte Reform des Rettungsdienstes?
Prof. Topka: Dass die Reform unverzichtbar ist, haben wir während des 1. Deutschen Schlaganfallkongresses unmissverständlich aufgezeigt. Sie soll helfen, den Rettungsdienst überregional zu organisieren sowie Rettungsdienst, Kliniknotaufnahmen und Notdienste der Kassenärztinnen und -ärzte zuverlässig zu vernetzen und bundesweite Standards für die Aus- und Weiterbildung der Rettungsdienste vorzubereiten – nicht zuletzt zum Wohle der vielen Schlaganfallpatienten und -patienten in Deutschland.

Mit Prof. Helge Topka und Dr. Anne-Sophie Biesalski sprach Lars Schmitz-Eggen

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