Sauerstoffgabe durch Laien nach Tauchunfall?
(Bild: Shutterstock / hardik ghori)
Tauchunfälle betreffen nicht nur Sporttaucher, sondern können auch während Übungen oder Einsätzen der Wasserrettung auftreten. Ehrenamtliche Einsatzkräfte stehen dann vor der Frage, ob sie medizinischen Sauerstoff verabreichen dürfen – und ob das überhaupt erlaubt ist.
Medizinischer Hintergrund
Bei jedem Tauchgang entstehen im Körper Mikrogasblasen, unabhängig von der Tiefe. In schweren Fällen führen diese Blasen zu lebensbedrohlichen Organschäden, meist neurologischer Art. Neben der Sicherung der Vitalfunktionen gilt die Gabe von 100 % Sauerstoff als wichtigste Sofortmaßnahme. Sie muss unverzüglich erfolgen, um die Gasblasen zu verkleinern und den Stickstoff schneller abatmen zu lassen. Dadurch verbessert sich die Symptomatik häufig deutlich.
Rechtliche Einordnung
Die S2k-Leitlinie „Tauchunfall“ (2022–2027) der GTÜM empfiehlt ausdrücklich die sofortige Sauerstoffgabe auch durch Ersthelfer. Rechtlich bestehen dabei keine Hürden:
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Heilpraktikergesetz (HeilprG): Greift nicht bei ehrenamtlicher Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht.
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Arzneimittelgesetz (AMG): Enthält keine Einschränkung für die Anwendung von medizinischem Sauerstoff durch Nichtärzte.
Ein strafrechtliches Risiko durch Körperverletzung ist praktisch ausgeschlossen, da die Gabe nicht invasiv erfolgt. Nur bei einer nachweisbaren Verschlechterung und grober Sorgfaltspflichtverletzung könnte eine fahrlässige Körperverletzung in Betracht kommen – was in der Praxis kaum vorkommt.
Pflicht zur Hilfeleistung
Unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) oder Körperverletzung durch Unterlassen kann strafbar sein, wenn kein Sauerstoff gegeben wird, obwohl er verfügbar ist. Laut DIN EN ISO 24803:2017 muss bei allen Tauchaktivitäten medizinischer Sauerstoff bereitstehen – auch beim „Schnuppertauchen“. Wer gemeinsam taucht, bildet zudem eine „Gefahrengemeinschaft“ und hat somit eine erhöhte Hilfeleistungspflicht.
Sonderfälle: Herzinfarkt oder Schlaganfall
Nicht jeder Notfall unter Wasser ist ein Dekompressionsunfall. Tritt ein Herzinfarkt oder Schlaganfall auf, empfehlen aktuelle Leitlinien (ESC 2017, ASA 2019) eine Sauerstoffgabe nur bei Hypoxämie. Anders bei Dekompressionskrankheit oder Gasembolie: Hier ist hochdosierter Sauerstoff – bis hin zur Druckkammerbehandlung – unverzichtbar, da er die Gasblasen verkleinert und das bedrohte Gewebe schützt.
Auch bei Nitrox-Tauchgängen
Viele Taucher nutzen Nitrox, also sauerstoffangereicherte Druckluft, um Tauchzeit und Dekompression zu optimieren. Kommt es dennoch zu einem Unfall, bleibt die Empfehlung gleich: 100 % Sauerstoff verabreichen – unabhängig vom verwendeten Gasgemisch.
Fazit
Die Gabe von 100 % Sauerstoff ist nach einem Tauchunfall medizinisch sinnvoll, rechtlich zulässig und in der Praxis geboten. Es gibt keine gesetzlichen Gründe, die Anwendung durch medizinische Laien zu untersagen. Bei Verdacht auf Herzinfarkt oder Schlaganfall sollte Sauerstoff nur bei erkennbarer Sauerstoffunterversorgung (Hypoxämie) gegeben werden, während er bei Dekompressionskrankheit oder Gasembolie als unverzichtbare Erstmaßnahme gilt. Auch nach Nitrox-Tauchgängen bleibt die Empfehlung unverändert: 100 % Sauerstoff verabreichen – angepasst an den Zustand des Patienten.
Der Beitrag beruht auf Ausführungen von Hubertus Bartmann, Feuerwehr-Lehrtaucher Stufe 3, und Nicole Kreutz, Juristin und ehemalige Staatsanwältin.
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