Wiederbelebungsunterricht an Schulen gewinnt an Fahrt
(Bild: Ground Picture/Shutterstock)Winnenden/Düsseldorf/Wiesbaden (lse) – Ein Herzstillstand kann überall und jederzeit eintreten. Entscheidend für das Überleben der Betroffenen sind schnelles Handeln und eine sofortige Laienreanimation – doch genau daran mangelt es vielerorts. In Deutschland liegt die Reanimationsquote durch Laien aktuell bei nur etwa 50 Prozent. Dabei könnten jährlich bis zu 10.000 Menschenleben zusätzlich gerettet werden, wenn mehr Menschen wüssten, was im Ernstfall zu tun ist. Besonders groß ist das Potenzial bei jungen Menschen: Immer mehr Bundesländer machen sich dafür stark, dass Schülerinnen und Schüler bereits frühzeitig Reanimationsmaßnahmen erlernen – mit wachsendem Erfolg.
NRW und Hessen setzen bundesweite Standards
Nordrhein-Westfalen (NRW) wird ab dem Schuljahr 2026/27 Reanimationsunterricht verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I einführen. Eine entsprechende Kooperationsvereinbarung wurde Anfang Juli 2025 im Beisein des Deutschen Rats für Wiederbelebung (GRC) unterzeichnet. Schon seit 2017 lief in NRW ein erfolgreiches Modellprojekt, an dem zahlreiche Schulen teilnahmen. „Dass der Reanimationsunterricht nun für alle verpflichtend wird, ist ein bedeutender Schritt – und ein großer Erfolg“, erklärte GRC-Vorstand Professor Bernd Böttiger.
Auch Hessen setzt Maßstäbe. Dort wurde bereits im Schuljahr 2023/24 eine Pilotphase mit 30 Schulen gestartet. Aktuell nehmen 180 Schulen teil, und bis 2027 sollen alle weiterführenden Schulen flächendeckend Wiederbelebungsunterricht in Klasse 7 anbieten. Unterstützt wird das Programm von der Deutschen Herzstiftung und der Björn Steiger Stiftung. Dabei geht es nicht nur um reine Wissensvermittlung, sondern auch um den Abbau von Ängsten und das gezielte Einüben der lebensrettenden Handgriffe – niedrigschwellig, alltagsnah und im besten Fall dauerhaft verankert.
Schulen als Rettungsinseln im Notfallnetz
Die Vermittlung der einfachen, aber entscheidenden Maßnahmen der Wiederbelebung – „Prüfen – Rufen – Drücken“ – wird von Fachleuten seit Jahren gefordert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt bereits seit 2015 die Einführung von Reanimationsunterricht ab der 7. Klasse. In Deutschland sprach sich die Kultusministerkonferenz 2014 dafür aus, doch die Umsetzung verlief lange schleppend. Nun nimmt die Bewegung an Fahrt auf, auch dank intensiver Aufklärungsarbeit durch Akteure wie GRC, Herzstiftung und Björn Steiger Stiftung.
Gerade bei jungen Menschen sei der Lerneffekt besonders nachhaltig, so die einhellige Meinung. Schülerinnen und Schüler agieren als Multiplikatoren – sie tragen ihr Wissen in Familien und Freundeskreise weiter. „Wiederbelebung wird so selbstverständlich wie Schwimmen oder Fahrradfahren“, bringt es die Deutsche Herzstiftung auf den Punkt.
Bundesweite Schulungen durch die Initiative #herzsicher
Parallel zur schulischen Verankerung verfolgt die Björn Steiger Stiftung einen anderen, niedrigschwelligen Ansatz: Mit ihrer Initiative #herzsicher bringt sie Reanimationsschulungen direkt zu den Menschen – ins Wohnzimmer, ins Vereinsheim oder ins Büro. Voraussetzung: Acht Teilnehmende und ein gebuchter Termin über die Plattform herzsicher.de. Ein zertifizierter Trainer kommt dann kostenfrei vor Ort.
Finanziert wird das Angebot über Spenden und Partnerschaften. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken ist Schirmherrin der Initiative. „Bei einem Herzstillstand zählt jede Minute. Erste Hilfe rettet Leben“, so Warken bei der Vorstellung der Kampagne im Mai 2025 beim DFB-Pokalfinale in Berlin.
Ausblick: Von der Schule in die Gesellschaft
Das Ziel ist klar: Jede Schülerin und jeder Schüler soll während der Schulzeit mindestens einmal die Grundzüge der Wiederbelebung praktisch erlernen. Neben NRW und Hessen ziehen inzwischen auch andere Bundesländer nach – ein bundesweites Schulfach Erste Hilfe scheint greifbarer denn je.
„Junge Menschen ab der siebten Klasse sind absolut in der Lage, Erwachsene zu reanimieren“, betont Pierre-Enric Steiger, Präsident der gleichnamigen Stiftung. Es gelte, diese Fähigkeit zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen Selbstverständnisses zu machen – nicht nur in Schulen, sondern überall im Alltag.
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