eCall zwischen Routinealarm und Zukunftstechnologie

(Bild: dragonetti/Shutterstock)Ulm (lse) – Als Rettungsdienst und Feuerwehr Bad Honnef (NRW) im September 2025 zu einem Verkehrsunfall auf der Autobahn A3 ausrückten, hatte zuvor das eCall-System eines der beteiligten Fahrzeuge automatisch einen Notruf an die Leitstelle gesendet. Der Vorfall zeigt, dass das seit einigen Jahren in Neuwagen verpflichtend eingebaute Notrufsystem im Alltag eine wertvolle Hilfe sein kann.

Insgesamt sieben Personen wurden bei dem Unfall auf der A3 verletzt. Die Leitstelle erhöhte daraufhin das rettungsdienstliche Alarmstichwort. Insgesamt fünf Rettungswagen, ein Notarzteinsatzfahrzeug sowie die rettungsdienstliche Einsatzführung (OrgL und LNA) kamen zur Einsatzstelle.

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Bei diesem Unfall auf der A3 wurden die Rettungskräfte über eCall alarmiert. (Bild: FF Bad Honnef)

„In diesem Fall hat der eCall zuverlässig funktioniert und der Leitstelle unmittelbar nach dem Zusammenstoß die notwendigen Koordinaten zum Unfallort übermittelt. So konnten die Einsatzkräfte ohne Zeitverzug alarmiert werden“, stellte die Feuerwehr in ihrer Pressemitteilung fest.

Sensoren melden Aufprall und Airbag-Auslösung

Der automatische Notruf eCall soll Rettungskräften helfen, schneller zum Unfallort zu gelangen – insbesondere dann, wenn niemand selbst Hilfe rufen kann. Ausgelöst wird der Notruf in der Regel, wenn Sensoren im Fahrzeug etwa den Aufprall und das Auslösen der Airbags registrieren. Das System baut dann über das Mobilfunknetz eine Verbindung über die europaweite Notrufnummer 112 auf und übermittelt Daten wie den Standort, die Fahrtrichtung, den Zeitpunkt des Unfalls und grundlegende Informationen zum Fahrzeug. Zusätzlich wird eine Sprachverbindung hergestellt, sodass – wenn ansprechbare Personen im Fahrzeug sind – die Leitstelle weitere Informationen abfragen kann.

Der ADAC Hessen-Thüringen weist darauf hin, dass das System unabhängig von anderen Komponenten des Fahrzeugs arbeitet und somit auch dann funktionsfähig sein sollte, wenn etwa Bordelektronik oder Batterie beschädigt sind. Seit April 2018 ist eCall in allen neu genehmigten Pkw-Modellen in der EU gesetzlich vorgeschrieben.

Für die Rettungskräfte bedeutet eCall in der aktuellen Form zunächst eine Verkürzung der Alarmierungs- und Ortungsphase. Dennoch ersetzt die automatische Meldung nicht die klassische Notrufkette. Der ADAC betont, dass Ersthelfer weiterhin unverzichtbar sind – sei es, um Verletzte zu betreuen, den Rettungsdienst zu verständigen oder der Leitstelle Informationen zur Lage vor Ort zu geben. Angaben zu Verletzungen oder zur Zahl Betroffener liefert das System bislang nicht. Die verlässliche Bewertung der tatsächlichen Lage bleibt daher weiterhin Aufgabe der ersteintreffenden Kräfte.

eCall-Daten werden mit TraumaRegister verknüpft

Prof. Dr. Marcel Dudda und Dr. Bastian Brune betreuen das Forschungsprojekt des Universitätsklinikums Essen und der Universität Duisburg-Essen. (Bild: UDE/UK Essen)

Welche zusätzlichen Möglichkeiten in der automatischen Unfallmeldung stecken, zeigt ein Forschungsprojekt des Universitätsklinikums Essen und der Universität Duisburg-Essen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren seit 2022 Unfälle, bei denen der Rettungsdienst alarmiert wurde, und verknüpfen dabei Daten aus dem Fahrzeug mit Informationen aus der klinischen Versorgung sowie aus dem TraumaRegister DGU.

Das Projekt soll dazu beitragen, die digitale Rettungskette weiterzuentwickeln. Durch die Verknüpfung von Unfalldaten – etwa zur Kollisionsrichtung oder zur Intensität des Aufpralls – mit klinischen Behandlungsergebnissen wollen die Forschenden verstehen, wie Unfallmechanik und Verletzungsmuster zusammenhängen. Langfristig könnte das bedeuten, dass Rettungskräfte bereits vor dem Eintreffen am Einsatzort Informationen zur potenziellen Schwere von Verletzungen erhalten. Für Notärzte und Notfallsanitäter böte dies die Chance, sich bereits während der Anfahrt auf den Einsatz vorzubereiten.

Technischer Wandel mit „Next Generation eCall“

Während die aktuelle eCall-Generation vor allem Basisdaten übermittelt, steht mit dem sogenannten „Next Generation eCall“ bereits ein technischer Wandel bevor. Auf einer Veranstaltung in Bonn berichtete die Deutsche Telekom, dass ihre Mobilfunknetze technisch auf den künftigen Standard vorbereitet seien. Der nächste Entwicklungsschritt soll die Übertragung über 4G- und später 5G-Netze ermöglichen. Hintergrund ist, dass die bislang genutzten 2G- und 3G-Netze in vielen Regionen abgeschaltet werden oder kurz davorstehen. Die EU-Vorgaben sehen vor, dass ab dem 1. Januar 2026 neue Fahrzeugmodelle in Europa mit dem neuen System ausgestattet sein müssen, ab 1. Januar 2027 gilt die Verpflichtung auch für neu zugelassene Fahrzeuge älterer Modellreihen.

Mit dem neuen Standard soll nicht nur der technische Unterbau modernisiert werden. Er verspricht auch eine schnellere Verbindung zur Leitstelle und die Möglichkeit, künftig umfangreichere Daten zu übertragen. In Fachkreisen wird darüber diskutiert, ob perspektivisch Bild- oder Sensordaten – etwa aus Fahrzeugsystemen oder Smartphones im Fahrzeug – sinnvoll genutzt werden können. Für die Einsatzkräfte könnte das bedeuten, dass sich die Lage vor Ort früher einschätzen lässt. Voraussetzung hierfür ist aber, dass eine Möglichkeit gefunden wird, wie sich Datenmengen, Datenschutz und Leitstellentechnik harmonisieren lassen.

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