Reanimationsstatistik 2024: Überlebensraten stagnieren – Experten fordern Reformen

(Bild: Mike Auerbach/DGAI)Nürnberg/Winnenden (lse) – Trotz zunehmender Bereitschaft von Ersthelfern bleibt die Überlebensrate nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand in Deutschland seit Jahren nahezu unverändert. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht 2024 des Deutschen Reanimationsregisters hervor, das von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) getragen wird. Demnach erlitten im vergangenen Jahr rund 136.000 Menschen außerhalb von Kliniken einen Herzstillstand – durchschnittlich 370 pro Tag. Bei etwa der Hälfte leitete der Rettungsdienst Wiederbelebungsmaßnahmen ein. Knapp elf Prozent der Betroffenen überlebten, eine Quote, die seit Jahren stabil ist.

Positiv bewerten die Fachleute die steigende Bereitschaft in der Bevölkerung, sofort einzugreifen. In der Referenzgruppe besonders vollständig dokumentierender Standorte stieg die Laienreanimationsquote von 50,7 auf 55,4 Prozent, bundesweit von 49,9 auf 52,0 Prozent. Auch die Zahl der Defibrillationen durch Ersthelfer nahm zu: In zwei Prozent der Fälle erfolgte der erste Schock vor Eintreffen der Rettungskräfte – ein Hinweis auf die Wirksamkeit von Smartphone-basierten Ersthelfer-Systemen. „Diese Entwicklung ist ermutigend, dennoch liegen wir im internationalen Vergleich weiter zurück“, sagte Prof. Matthias Fischer vom Organisationskomitee des Registers.

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Ein zentrales Problem bleibt die Zeit

Bundesweit traf der Rettungsdienst 2024 in nur 73,2 Prozent der Fälle innerhalb von acht Minuten ein, in der Referenzgruppe waren es 78,5 Prozent. Das angestrebte Ziel von 80 Prozent wurde damit erneut verfehlt. „Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand ist ein Eintreffen nach zehn oder 15 Minuten zu spät – das bringt nichts“, kritisierte die Björn Steiger Stiftung, die seit Jahren auf strukturelle Defizite hinweist. Deren Präsident Pierre-Enric Steiger sprach von einem systematischen Verstoß gegen das Recht auf gleiche Überlebenschancen und kündigte an, die eingereichte Verfassungsbeschwerde zur Schaffung einheitlicher Standards im Rettungsdienst weiter voranzutreiben.

(Bild: Heiko Potthoff)Auch die telefonische Anleitung zur Reanimation ist aus Sicht der Experten ausbaufähig. Zwar stieg die Quote in der Referenzgruppe von 33,0 auf 40,4 Prozent, bundesweit auf 37,3 Prozent. Doch in zwei Dritteln der Fälle bleibt diese Maßnahme aus. „Alle Leitstellen müssen standardisiert und verpflichtend eine telefonische Anleitung geben – wie es international längst üblich ist“, forderte Stiftungsgeschäftsführer Christof Constantin Chwojka.

Die Registerdaten liefern zudem Einblicke in die Patientenstruktur: Zwei Drittel der Betroffenen waren Männer, das Durchschnittsalter lag bei knapp 70 Jahren. Fast ein Drittel war über 80 Jahre alt, knapp 45 Prozent befanden sich im erwerbsfähigen Alter. In mehr als der Hälfte der Fälle war ein kardiales Ereignis Auslöser, in 15 Prozent eine respiratorische Ursache. Rund 70 Prozent der Notfälle ereigneten sich im häuslichen Umfeld, 15 Prozent in der Öffentlichkeit, zwölf Prozent in Pflegeeinrichtungen.

Defizite in der klinischen Weiterbehandlung

Auch in der klinischen Weiterbehandlung bestehen Defizite. Die gezielte Temperaturkontrolle zur Hirnschutztherapie, in Leitlinien empfohlen, wurde 2024 nur noch bei 17,3 Prozent der Patienten angewendet. Dabei kann die Hypothermiebehandlung die Überlebenschancen nachweislich deutlich verbessern. Über 70 Prozent der Überlebenden erreichten nach der Entlassung eine gute neurologische Erholung.

„Wir sehen Fortschritte bei der Bevölkerung, aber Stagnation bei den Überlebensraten“, fasste Registersprecher Jan-Thorsten Gräsner zusammen. „Jetzt ist der Moment, die gesamte Überlebenskette – von der Leitstelle über den Rettungsdienst bis zur Klinik – gezielt zu stärken.“

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